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Künstliche Intelligenz
Michael Kleine-BeckelFeb 10, 2023 9:00:00 AM4 min read

Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz
6:45

Ist ChatGPT unser neuer Ansprechpartner für Personalbelange?

OpenAI ist in aller Munde. Google hat das Produkt bereits als große Konkurrenz für sein Geschäftsmodell erkannt und Microsoft investierte bereits Hunderte Millionen US-Dollar. Doch kann künstliche Intelligenz auch im Personalwesen funktionieren?

10.02.2023


Viele Kolleg:innen betonen seit Jahren die Bedeutung der künstlichen Intelligenz für HR-Tätigkeiten. Für mich klangen alle Prognosen bislang wie die zum Thema autonomes Fahren: Wenn man nur lange genug betont, dass die Realisierung ganz kurz bevorsteht – dann liegt man irgendwann richtig. Doch wie sieht es jetzt aus, nachdem OpenAI in aller Munde ist?

Einstellung der Personaler:innen

Die HR Monkeys haben in Bezug auf Recruiting einige Zahlen zusammengetragen. So empfanden 58% der befragten Personaler:innen die Systeme als eher „intransparent“. 31% empfanden insbesondere DSGVO-Themen als schwierig in diesem Kontext. Dass Personaler:innen skeptisch auf dieses Thema reagieren, liegt sicher an den Erfahrungen der Vergangenheit: Amazon hat 2014 einen Recruiting-Prozess mit einer KI aufgesetzt, die jedoch aufgrund der antrainierten Beispiele diskriminierende Algorithmen angewendet hat. Denn wenn Trainingsbeispiele in eine bestimmte Richtung zeigen, ist eine KI nicht in der Lage, diesen Trend selbst zu korrigieren, sondern wird ihn verstärken (dazu auch hier mehr). Insbesondere die letzte Zusammenstellung macht deutlich, wie komplex das Thema ist und warum eine gewisse Skepsis durchaus angemessen ist.

 

Einstellung unserer „Kund:innen“

Der wohl am besten untersuchte HR-Prozess in Bezug auf die KI ist das Recruiting (Beispiel aus der Computerwoche). Bereits 2020 hat sich eine Studie der Universität Bamberg mit der Akzeptanz des Einsatzes von künstlicher Intelligenz im Recruiting-Prozess beschäftigt. Noch etwas aktueller ist die Studie der IU Internationale Hochschule aus Erfurt. Und die Zahlen sind – vorsichtig formuliert – überraschend. Etwa zwei Drittel der Befragten trauen dem Einsatz von KI im Umfeld Recruiting nicht, 80% fühlen sich dadurch weniger wertgeschätzt und nur knapp 42% der Befragten trauen Unternehmen, die künstliche Intelligenz im Recruiting-Prozess einsetzen.

HR-Blog_ChatGPT_2_künstliche_Intelligenz

Quelle: Studie der IU Internationale Hochschule Erfurt

Interessant: Trotzdem gehen über 60% der Befragten davon aus, dass künstliche Intelligenz zukünftig häufiger eingesetzt wird – was 63% jedoch nicht gut finden. Akzeptanz oder gar Begeisterung sieht anders aus, finde ich.

 

Möglichkeiten

Unstreitig betritt die Generation Z die Arbeitswelt zu Zeiten eines Arbeitnehmermarktes für junge und gut ausgebildete Menschen. Nie war der Bedarf an solchen Menschen höher und vielleicht war auch nie die Panik der Unternehmen vor fehlenden fachlich qualifizierten Mitarbeiter:innen höher. War es in den 90zigern des letzten Jahrhunderts noch so, dass Universitätsabsolventen sich um wenige Stellen gerauft haben, raufen sich heute die Unternehmen um die wenigen Absolvent:innen. Und noch etwas ist anders: Seit Jahren wird den jungen Menschen deutlich gemacht, dass die Welt (= der Arbeitsmarkt) auf sie wartet. Da erscheint es wenig verwunderlich, dass in Vorstellungsgesprächen eben diese Kandidat:innen selbstbewusst und fordernd auftreten. Warum auch nicht - sind sie doch in dem sicheren Wissen unterwegs, dass sie dringend benötigt werden. Und noch etwas ist anders als in der Vergangenheit: früher haben sich „Bewerber:innen“ beworben - heute bewerben sich Unternehmen. Das bedeutet, dass die Unternehmen jederzeit auf die Kandidat:innen zugehen - und eben eine Kandidatin oder ein Kandidat sich nicht mehr um den ersten Kontakt bemühen muss.

 

Herausforderungen

Die Studie der IU Internationale Hochschule macht deutlich, dass noch einiges fehlt, bis der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Personalwesen vollends akzeptiert wird: eine hohe Transparenz bezüglich der genutzten Algorithmen sowieso ein gutes, diskriminierungsfreies Training der KI zum Beispiel. Dazu kommt die Erkenntnis, dass alle Vorurteile der KI-Beteiligten bei der Entwicklung an das Tool weitergegeben werden.

Wichtig ist es außerdem zu verstehen, wann die KI keine oder zumindest wenig Vorbehalte hervorruft: Denn je früher sie im Recruiting-Prozess eingesetzt wird, desto höher die Akzeptanz, so die Studie der IU Internationalen Hochschule. Wurden die Stellenausschreibungen mithilfe von KI formuliert, lag die Akzeptanz beispielsweise bei fast 70%, während sie beim Führen von Bewerbungsgesprächen auf 28% einbrach.

 

Meine Erfahrungen mit OpenAI

Ich habe in den letzten Tagen OpenAI ausprobiert und dabei die Themen BAG zur Arbeitszeiterfassung aus September 2022, Trends für das Jahr 2023 und personalrechtlichen Neuerungen in Deutschland gewählt.

Mein Fazit: Ich war überrascht, was für intelligente und ausgewogene Diskussionen mit ChatGPT möglich waren. Klar erkennt man, dass beispielsweise die rechtlichen Änderungen im Jahr 2023 noch nicht antrainiert sind. Aber in Bezug auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts aus September 2022 waren die Antworten verblüffend präzise. Auf meine Frage „Steht der Beschluss eher im Einklang oder im Widerspruch zu der EuGH-Entscheidung aus 2019?“ antwortet OpenAI klar und in meinen Augen auch rechtlich absolut sauber. Ich bin wirklich beeindruckt.

Die von ChatGPT prognostizierten HR-Trends für 2023 haben mich ebenfalls verblüfft. Egal ob ich nach den Trends von Gartner oder nach allgemeinen HR- Trends gefragt habe – die Antworten waren entweder richtig (siehe Gartner) oder zumindest überzeugend. Zudem gab es immer den Hinweis auf weitere Trends, was mich positiv überrascht hat.

 

Zusammenfassung

OpenAI hat meine Wahrnehmung zu KI im Personalwesen verändert. Ich bin nicht ganz bei Todd Mitchem, CEO von AMP Learning and Development, der formuliert hat „Das ist, als ob die industrielle Revolution in die Dotcom-Ära einschlug und ein Baby dazu brachte, mit einer Million Meilen pro Stunde zu reisen“.

Aber ich bin sicher, dass wir Fragen wie „Was muss ich bei einer Pfändung beachten?“ bald nicht mehr ausschließlich Spezialist:innen im Unternehmen oder Fach-Portalen im Internet stellen werden. Tools wie OpenAI könnten an Produkte wie SuccessFactors angedockt werden und diese Aufgaben übernehmen. Ein bisschen wie der Wandel vom Brockhaus zu Wikipedia. Ich muss zugeben: Ein Funken Wehmut und Skepsis bleibt, wenn die „Wahrheit“ zukünftig von einer Maschine kommt.

Was ist deine Meinung zum Thema KI im HR-Umfeld? Oder willst du mehr erfahren? Ich freue mich, von dir zu hören!

 

 

 

 

 
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Michael Kleine-Beckel

Hi, ich bin Michael, im Vorstand der t.serv AG und leidenschaftlicher Blogger zu HR-Themen.

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