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Michael Kleine-BeckelAug 10, 2022 9:00:00 AM3 min read

Das neue Nachweisgesetz

Das neue Nachweisgesetz
5:49

Kann sich das mit der Digitalisierung überhaupt durchsetzen?

Die Schriftformerfordernis in den Änderungen des Nachweisgesetzes soll Arbeitnehmer:innen einen möglichst einfachen und umfassenden Zugang zu allen Arbeitsbedingungen geben. Was ist jetzt zu tun?

10.08.2022


Bei den ersten Informationen über das Schriftformerfordernis in den Änderungen des Nachweisgesetzes musste ich ein bisschen an Matthias Horx und den Satz „Das Internet wird kein Massenmedium“ denken.

Hintergrund

Der Gesetzgeber war verpflichtet, bis zum 31.07.2022 die Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union ("Arbeitsbedingungenrichtlinie") in deutsches Recht umzusetzen. Dieser Aufforderung ist er mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union, das zum 1. August 2022 in Kraft getreten ist, auch nachgekommen.

 

Inhalte

Wenn man sich den erklärten Sinn und Zweck der Novellierung ansieht, geht es vereinfacht formuliert darum, den Arbeitnehmer:innen einen möglichst einfachen und umfassenden Zugang zu allen Arbeitsbedingungen zu geben.

So sind zukünftig in den Arbeitsverträgen bspw. folgende Inhalte vorgeschrieben: (aus Neues Nachweisgesetz: Das müssen Arbeitgeber bei Arbeitsverträgen beachten von Dr. Kai Bodenstedt):

  • das Enddatum bei befristeten Arbeitsverhältnissen

  • die Möglichkeit, dass die Mitarbeitenden ihren jeweiligen Arbeitsort frei wählen können, sofern vereinbart

  • die Dauer der Probezeit, sofern vereinbart

  • die Vergütung von Überstunden

  • die Fälligkeit des Arbeitsentgelts und die Form, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird

  • die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für die Schichtänderungen

  • Einzelheiten zur Arbeit auf Abruf, falls diese vereinbart sind

  • die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen

  • ein etwaiger Anspruch auf von Arbeitgeber:innenseite bereitgestellte Fortbildung

  • im Grundsatz: Name und Anschrift des Versorgungsträgers der betrieblichen Altersversorgung, falls eine solche gewährt wird

  • das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber:in und Mitarbeitenden einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden. Der zweite Halbsatz wird im Ergebnis dazu führen, dass eine Kündigungsschutzklage, die außerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eingereicht wurde, gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen ist, wenn sie innerhalb der im Arbeitsvertrag nachgewiesenen Frist eingereicht wurde

  • ein Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen

Doch nicht nur der Arbeitsvertrag ist von den Änderungen betroffen. Auch Themen wie die Entsendung von Mitarbeiter:innen, wenn diese über 4 Wochen hinausgeht. Auch andere Gesetze wie das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sind von der Neuregelung betroffen.

 

Streitpunkt

So sehr die eigentliche Idee von vielen Kommentaren geteilt wird, so sehr stören sich die meisten Kommentare am „Schriftformerfordernis“ im neu formulierten §2

Absatz 1 Satz 1 des Nachweisgesetzes: „Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.“ Die Kritik richtet sich vor allem an die von der EU-Richtlinie geforderten Textform ("Der Arbeitgeber stellt jedem Arbeitnehmer die gemäß dieser Richtlinie erforderlichen Informationen schriftlich zur Verfügung. Die Informationen sind in Papierform oder – sofern die Informationen für den Arbeitnehmer zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhält – in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen und zu übermitteln." Artikel 3 der EU-Richtlinie 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union). Die meisten Verfasser:innen sehen deshalb im deutschen Sonderweg eine nicht mehr zeitgemäße Wende weg von der Digitalisierung.

Für eine Übergangszeit wird auch die Fristregelung kritisch gesehen. Innerhalb von 7 Tagen müssen die Arbeitgeber:innen den Arbeitnehmer:innen die umfassenden Arbeitsbedingungen zur Verfügung zu stellen, sollten sie angefordert werden. Wegen der vielen neuen Anforderungen im Nachweisgesetz, gehen einige Verfasser:innen davon aus, dass bis zu 90 % der bestehenden Arbeitsverträge angepasst werden müssen. Das führt natürlich zu einem erheblichen Aufwand in den Personalabteilungen.

 

Was ist also zu tun?

Die Personalabteilungen haben zunächst nur die Möglichkeit, möglichst schnell die bestehenden Arbeitsvertragsvorlagen zu überprüfen und zu ergänzen. Denn Versäumnisse werden mit Bußgeldern bis zu 2.000 Euro bestraft.

Wie siehst du die Situation? Ist diese Novellierung auch für dich eher ein Schritt zurück oder empfindest du die Neuerungen eher als Veränderung in die richtige Richtung? Lass uns gerne darüber diskutieren. Melde dich dafür einfach unter michael.kleine-beckel@tserv.de.

 

 

 

 
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Michael Kleine-Beckel

Hi, ich bin Michael, im Vorstand der t.serv AG und leidenschaftlicher Blogger zu HR-Themen.

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