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Michael Kleine-BeckelOct 12, 2022 9:00:00 AM4 min read

Sturm im Wasserglas

Sturm im Wasserglas
6:58

Bundesarbeitsgericht bestätigt EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung. 

Kritik vorprogrammiert.

Jetzt hat es das Bundesarbeitsgericht also wirklich getan - die Entscheidung des EuGH wurde akzeptiert. Der Untergang der deutschen Wirtschaft hat begonnen – könnte man meinen, wenn man manche LinkedIn-Posts liest.

12.10.2022


 

Ausgangssituation

Wenn man LinkedIn als Maßstab für den allgemeinen Zustand der Personalabteilungen nimmt, hat man seit dem 13. September 2022 den Eindruck, dass Begriffe wie „nackte Panik“ oder „Untergang“ fast schon beschönigend wirken. An diesem Tag hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, "Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.“ (Aktenzeichen 1 ABR 22/21).

In der mündlichen Urteilsbegründung hat die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Frau Inken Galler, ausgeführt: »Wenn man das deutsche Arbeitsschutzgesetz mit der Maßgabe des Europäischen Gerichtshofs auslegt, dann besteht bereits eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung«.

Das Bundesarbeitsgericht hat das bereits in 2019 gefällte Urteil des EuGH (siehe hierzu auch Blog ….) aufgegriffen und festgehalten, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auch in Deutschland über die Erfassung von Überstunden und Sonntags- bzw. Feiertagsarbeit hinausgeht. Gleichzeitig hat Inken Galler auch klargestellt, dass das Europäische Recht und die Entscheidung des EuGH einen Gestaltungsspielraum über „das Wie, nicht das Ob“ gibt.

Der Gesetzgeber hat zudem deutlich gemacht, dass für erste Gesetzesentwürfe die schriftliche Urteilsbegründung im November abgewartet werden soll.

 

Reaktionen

Die Reaktionen sind schrill. Steffen Lampeter, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), hat die Entscheidung als „überstürzt und nicht durchdacht“ bezeichnet. Auf LinkedIn ist mehrfach vom „Tod der Vertrauensarbeitszeit“ die Rede. Gleichzeitig wird extrem undifferenziert auf „die Bürokratie“, das Nachweisgesetz und auf die DSGVO verwiesen und entsprechend geschimpft.

 

Einschätzung

So richtig nachvollziehen lässt sich die massive Kritik nicht. Zum einen nehmen die meisten Beschäftigen in Deutschland an einer Zeiterfassung teil. Zum Beispiel alle in der Produktion eines Unternehmens beschäftigten Mitarbeiter:innen. Zum anderen stand bereits seit dem Urteil des EuGH fest, dass es in Deutschland für alle anderen Mitarbeiter:innen zumindest eindeutigen Regelungsbedarf geben muss. Das jetzige Urteil ist also einfach eine Bestätigung der bereits drei Jahre alten Rechtsprechung. In diesem Fall einem Gericht dann vorzuwerfen, es hätte „überstürzt und nicht durchdacht“ gehandelt, ist in meinen Augen schon sehr mutig. Das Bundesarbeitsgericht ist als Teil der Judikative an Recht und Gesetz gebunden. Und das wird bei allen Möglichkeiten der Auslegung von eben diesen Vorschriften nicht durch das Gericht gemacht, sondern durch die Legislative.

Auch die Aussage vom „Tod der Vertrauensarbeitszeit“ ist maßlos überspitzt. Im letzten Jahr haben laut Statistischem Bundesamt 4,5 Millionen Arbeitnehmer:innen Überstunden geleistet. Etwa 20 % dieser Personen haben das unbezahlt getan. Den durch das BAG festgestellten „Schutzbedarf“ der Arbeitnehmer:innen einfach vom Tisch zu wischen, kommt einem bei diesen Zahlen etwas vorschnell vor.

Ich bin überzeugt davon, dass es die Vertrauensarbeitszeit weiter geben wird. Sie wird einfach dadurch ergänzt werden, dass Teilnehmende an der Vertrauensarbeitszeit ihre Arbeitszeit erfassen und Arbeitgeber:innen ein dafür geeignetes System bereitstellen müssen. Aufwand pro Tag: etwa 3 Minuten. Was passieren könnte, sind allerdings überraschende Erkenntnisse beim Austritt eines Mitarbeitenden. In manchen Situationen könnte festgestellt werden, dass die betroffene Person eine erhebliche Anzahl an Überstunden angesammelt hat, die nicht abgefeiert werden konnten und deshalb auszuzahlen sind. Dafür sind in den meisten Unternehmen schon längst Systeme zur Verhinderung eingeführt. Auch hier sind Ampelinformationen in vielen Systemen vorgedacht, damit die Führungskräfte die Zeiten der Mitarbeiter:innen im Auge behalten können. Und das macht Sinn. Wir reden immer wieder von unserer Verantwortung für die Mitarbeiter:innen, von Work-Life-Balance und von vielem anderen. Bei aller Eigenverantwortung für die Mitarbeiter:innen darf die Freiheit des Einzelnen nicht dahin umschlagen, dass sich Führungskräfte als „ohne Verantwortung“ empfinden. Und die geleistete Arbeitszeit ist zumindest aus Sicht der Belastung einer Person ein wichtiger Indikator für die Frage, ob eine Aufgabe noch gesund für die Person ist. Immerhin brauchen unterschiedliche Personen aus unterschiedlichen Gründen für ein und dieselbe Aufgabe auch unterschiedlich lange.

 

Und jetzt?

Es gibt für dieses Thema eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten im technischen Bereich. Das Ende der Vertrauensarbeitszeit? Auf keinen Fall. Nur eine Veränderung im Handling.

So stellen Produkte wie SuccessFactors oder SAP HXM bereits im Standard Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung.

 

SuccessFactors

Im SuccessFactors Employee Central bietet das Time Off die passende Lösung. Mitarbeiter:innen können mobil über die App oder über die SuccessFactors-Oberfläche ihre Arbeitszeit erfassen. Ob sie dabei nur die Stundenanzahl oder auch „von-bis-Zeiten“ erfassen, liegt bei dem Unternehmen. Vielleicht auch bei der Novellierung des Arbeitszeitgesetzes, die der Gesetzgeber für die Zeit nach der schriftlichen Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichtes angekündigt hat. SuccessFactors bietet im Standard Übersichten an. Wenn es gewünscht ist, können Führungskräfte jederzeit in die Zeiten ihrer Mitarbeiter:innen Einsicht haben.

 

SAP-HCM-Standard

Der SAP-Standard bietet mit Fiori bereits umfangreiche Möglichkeiten, die über die SuccessFactors-Möglichkeiten sogar hinaus gehen. Gegebenenfalls können allerdings höhere Kosten durch notwendige Employee Self Service und Manager Self Service Lizenzen entstehen.

 

HR PORTAL

Für Unternehmen, die bspw. aus technischen Gründen weder auf Fiori noch auf SuccessFactors switchen möchten, gibt es die Möglichkeit des HR PORTAL der T.CON. Auch hier kann im Standard ein klassisches Clock-In – Clock-Out-Szenario realisiert werden.

 

Zusammenfassung

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts als Ende Vertrauensarbeitszeit – ich denke nicht. Mittels SuccessFactors und SAP HXM haben wir alle Möglichkeiten, die gestellten Anforderungen zu erfüllen und rechtssicher die Zeiten zu erfassen.

Bist du anderer Meinung oder möchtest gerne mehr wissen? Kontaktiere mich gerne unter michael.kleine-beckel@tserv.de.

 

 

 

 

 
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Michael Kleine-Beckel

Hi, ich bin Michael, im Vorstand der t.serv AG und leidenschaftlicher Blogger zu HR-Themen.

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